Dritte Uerioöe.
Dort Friedrichs des Großen Thronbesteigung bis zum Anfange der französischen Revolution,
*740—*78%
108. Friedrich der Große und seine Vorfahren.
&toei Jahre nachdem Johann Hnß in Kostnitz den Märtyrertod erlitten hatte, belehnte Kaiser Sigismund den Burggrafen von Nürnberg, Friedrich I., aus dem Hause Hoheuzollern, mit dem Kurfürstenthum Brandenburg, 1417. Seit dieser Zeit sitzt dieses Fürstengeschlecht auf dem brandenbnrgischen, jetzt preußischen Throne. Es giebt wohl kaum ein Regentenhaus, von dem man, wie von diesem, rühmen könnte, daß es wohl einige schwache, aber keinen einzigen böswilligen Fürsten gehabt habe. Die wichtigsten Ereignisse der Fürsten dieses Hauses mögen hier nach der Zeit-folge stehen.
Joachim Ii. (1535—71) führte die Reformation in den brandenburgischen Ländern ein, und mit Freudigkeit bekannten sich seine Unterthanen zu der lutherischen Lehre (1539). Ferner erlangte er vom Könige von Polen, Sigismund, daß dieser ihm die Mitbelehnung des Herzogthums Preußen (Ostpreußen) ertheilte. Der Großmeister des deutschen Ordens in Preußen, Albrecht von Brandenburg, mar nämlich im Jahre 1525 zur lutherischen Kirche übergetreten und hatte das bisherige Ordensland Preußen in ein erbliches Herzogthum verwandelt, doch so, daß sein Land noch immer ein Lehen von Polen blieb. Wenn nun Albrechts Haus ausstarb, so wäre Preußen an Polen zurückgefallen. Darum suchte und erlangte Joachim, als ein naher Anverwandter des
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Zweite H^evioöe.
Port der Stiftung der heiligen Allianz bis zur Februar-Revolution X8x5—1(848.
126. Der heilige Bund. — Deutschland und Europa bis zum Congreß von Verona, 1823.
30jährigen Kriege, besonders in den letzten Jahrzehnten vor und nach der französischen Revolution schien es offenbar geworden zu sein, daß der Geist der nur auf den Vortheil berechneten Staats-kuust bei den Cabinetten, sowie bei den Völkern der Geist religiöser Indifferenz und eines leichtsinnigen Aufgebens alter Sitten mehr als einzelne Umstände und zufällige Thaten an den großen allgemeinen Unglücksfällen schuld gewesen seien. Die drei Herrscher, deren Bimdniß endlich den Folgen der Revolution Halt geboten und einen sichern Rechtszustand in Europa äußerlich hergestellt hatte, wollten sich mit diesem Ergebniß ihrer Thätigkeit nicht begnügen, sondern sie wünschten, die ganze künftige Entwickelung des europäischen Staatenlebens auf einer bessern, sittlichen Grundlage zu befestigen, und schlossen zu diesem Zweck den heiligen Bund. Derselbe sollte an die Stelle der bisherigen, nur auf Weltklugheit und Berechnung des Vortheils begründeten Politik eine christliche treten lassen, indem die Vorschriften der Gerechtigkeit, der Liebe, des Friedens sowohl der Verwaltung der Staaten im Innern, als auch der Leitung ihrer gemeinschaftlichen Angelegenheiten zu Grunde liegen sollten. Die Fürsten verpflichteten sich untereinander, die höchsten und heiligsten Zwecke der Völker und Regierungen immer zur Richtschnur ihrer Handlungen zu machen. Sie gelobten
^urch die Geschichte der europäischen Staaten nach dem
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Europa Verona Europa
180
Neueste Geschichte. 2. Periode. England.
Sturze ans Ruder kam, Festigkeit genug, und es gelang ihm, die Verfassung in conservativem Sinne zu revidireu (1845), aber bald kamen wieder verhängnißvolle Elemente in den Kreisen ins Spiel, von denen aus namentlich der häufige Wechsel von Personen in den höchsten Aemtern zu erklären ist.
Auf Narvaez' Antrieb wurde die Königin-Mutter aus dem Lande entfernt (1847), bald aber scheiterte er selbst mit seiner Stellung an dem Einfluß eines Günstlings, dessen Entfernung vom Hofe er durchsetzen wollte. Er wurde als Gesandter nach Paris geschickt; die Fortschrittsmänner (Progressisten) kamen an die Regierung und Espartero kehrte nach Spanien zurück.
Auch in Portugal war, wie in Spanien, ein fortwährendes Schwanken zwischen unbeschränkter und einer freien Regierung; die Königin Maria da Gloria neigte, wie Christine, zum absoluten Regiment hin, und wurde darin, nachdem ihr erster Gemahl, der Herzog August von Lenchtenberg, gestorben war, durch den zweiten, den Herzog Ferdinand von Coburg, noch bestärkt. Zwar erzwang auch dort ein Aufstand im September 1836 die Einführung einer demokratischen Verfassung und eines aus „Sep-tembristeu", d. h. den Theilnehmern des Aufstandes und ihrer Gesinnungsgenossen, gebildeten Ministeriums; aber auch seitdem schwankte die Regierung zwischen freisinnigen und freiheilsfeindlichen Einflüssen. In Folge der Verwaltung des Grasen Terceira und des Grasen Costa Cabral entstand eine Gährung im Lande, welche den Thron fast in Gefahr brachte; da wurde der populäre Herzog von Palmella zum Minister ernannt, kurze Zeit darauf aber wieder gestürzt.
Während das Staatsleben im ganzen westlichen Europa sich von Erschütterung zu Erschütterung fortbewegte, war England allein mit einer friedlichen und allmählich reifenden Entwickelung gesegnet. Das ist der Vorzug, welchen jenes Land vor allen andern Staaten genießt, daß es eine seit Jahrhunderten nach und nach ausgebildete Verfassung besitzt, in deren weitem Ausbau zwar niemals ein Stillstand eintritt, die jedoch in dem allgemeinen Volksbewußtsein zu fest wurzelt und zu viel Achtung genießt, als daß von irgend einer Seite plötzliche Veränderungen ohne reifliche Vorbereitung eingeführt werden dürften. Dadurch eben, daß das Staatsleben dort aus einer alten festen Grundlage ruht, welche von niemand freventlich angetastet werden darf, ist es möglich, dem Volke nach und nach immer größere Freiheiten zu gewähren.
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Extrahierte Ortsnamen: England Paris Spanien Portugal Spanien Lenchtenberg Europa England
Kanalisirungs- und Eisenbahnprojekte in Centralamerika. 289
1848 an Nordamerika abtrat, nicht den Aufschwung und die unberechenbare Bedeutung gewinnen können, hätte nicht die Habsucht ihm so rasch die Hunderttausende von goldgierigen Menschen zugeführt, welche mit ihren Culturbedürfnissen doch die Civilisation in ihrem Gefolge hatten.
Es gehört ein hartes und verzweifeltes Geschlecht dazu, um ein im ganzen steriles Land zu colouisiren und den Boden für den Samen der Cultur vorzubereiten und es mußte ein so starker Antrieb, als er in der Gier nach dem glänzenden Golde liegt, vorhanden sein, damit diese „Goldgräber" einer ungeheuern Entfernung und den Beschwerden und Gefahren einer langen Reise trotzten.
Die Geschichte führt eben gar oft auf seltsamen Bahnen das menschliche Geschlecht vorwärts, und was dem Kurzsichtigen als ein Hereinbrechen der Barbarei erscheint, ist nur eine rasche Befruchtung des Bodens, aus welchem die Pflanze der Civilisation emporschießt. Von diesem Gesichtspunkt aus ist auch die Vergrößerung des nordamerikanischen Staats aufzufassen; er erfüllt damit nur eine weltgeschichtliche, eine civilisatorische Mission. Während die übrigen Freistaaten Amerika's der Schauplatz sich wiederholender Revolutionen und bürgerlicher Kämpfe, oder erbitterter Kriege gegen einander sind; während die Bevölkerung immer mehr degenerirt und in Faulheit, Unwissenheit und Nichtsnutzigkeit versunken, auf dem gesegnetsten Boden der Erde immer mehr verarmt, bringt der Nordamerikaner, wohin er vordringt, Gewerbfleiß, Kenntnisse, Ordnung der staatlichen Verhältnisse und den Segen bürgerlicher und individueller Freiheit. Man kann daher die Vergrößerung des nordamerikanischen Freistaats nicht als ein Uebel bezeichnen; die fremden Länder werden nicht in Besitz genommen aus Ehrgeiz, nicht um sie auszubeuten, sondern um sie der Cultur zu eröffnen. So war es auch eine Folge des Besitzes von Calisornien, daß Nordamerika eine Verkürzung des Weges dahin und die Herstellung einer leichteren Verbindung suchen mußte. Das Bedürfniß von Land- oder Wasserstraßen zwischen dem atlantischen und dem stillen Ocean war ein allgemeines, und es tauchten mehrere Projecte auf, im Gebiete von Mittelarnerika (Isthmus von Tehuantepec, Nicaraguasee, Landenge von Panama u. a.) eine solche Verbindung durch einen Kanal oder eine Eisenbahn zu ermöglichen. Aber diese Projecte scheiterten oder blieben liegen, theils wegen der Schwierigkeiten der Ausführung, theils wohl auch durch die Ueberzeugung, daß ein Verbindungsweg zwischen den Oceanen nur im Schutze eines durch
Weltgeschichte für Töchter. Iv. 16. Aufl. 19
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194
Neueste Geschichte. 2. Periode. Frankreich.
die sich bei diesem Anlaß in den deutschen Bundesstaaten kund gegeben, bereitwillig ihre Anerkennung", wiewohl sie „die gehässigen Anschuldigungen und Aufreizungen, welche dabei stattgefunden", beklagte. — Bei diesem Ausgange beruhigte sich einstweilen die öffentliche Meinung, bis dieselbe nach der Februarrevolution mit größerer Energie auf die schleswig-holsteinische Sache zurückkam.
Der König von Preußen war nnterdeß darauf bedacht gewesen, sein mehrfach gegebenes Wort einzulösen, wonach er die Provinzialstände weiter entwickeln wollte; am 3. Februar 1847, an demselben Tage, wo einst Friedrich Wilhelm Iii. sein Volk zum Freiheitskampfe aufgerufen hatte, erschien zu allseitiger Ueberraschung ein königliches Patent, durch welches die Provinzialstände der Monarchie zu einem Vereinigten Landtage zusammenberufen wurden, welchem das Recht zustehen sollte, bei neuen Anleihen und Einführung neuer Steuern die Zustimmung zu ertheilen und zugleich das Recht des Beiraths bei der Gesetzgebung, — worin die Grundlagen einer reichsständigen Verfassung enthalten sein sollten. Die neue Einrichtung trat als eine naturgemäße Entwickelung der bisherigen ständischen Einrichtungen auf, indem die Abgeordneten der Ritterschaft, der Städte und Landgemeinden der acht Provinzen auf dem Vereinigten Landtage in gleicher Zahl, wie auf den Provinziallandtagen, erscheinen sollten; nur darin lag eine Abweichung, daß der Herrenstand als eine besondere Kammer, gleichsam als eine Paine, abgesondert wurde. Mit dem königlichen Patent waren nach der Ansicht der Regierung die Verheißungen Friedrich Wilhelms Iii. erfüllt, und dem Volk ein weites Feld zur Mitwirkung bei der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten eröffnet: es war eine Gabe des königlichen Vertrauens, und der König meinte auf den freudigen Dank der Nation rechnen zu dürfen. Aber in dieser hatte der Gedanke bereits weit um sich gegriffen, daß eine neue Verfassung Preußens mehr als eine Erweiterung der Provinzialstände sein müsse; die Stimmführer dieser Ansicht wurden begierig gehört, und in dieser Bewegung verkümmerte der Dank, welchen der König erwartete. Mit Lebhaftigkeit wurde die Frage verhandelt, ob man die Verfassung „annehmen oder ablehnen?" solle, und in wenigen Wochen war die Meinung in einem großen Theile des Volkes verbreitet, daß die neue Verfassung weder den berechtigten Forderungen, noch dem Rechtsbewußtsein des Volks entspreche.
Während ganz Deutschland der Eröffnung des Vereinigten
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196 Neueste Geschichte. 2. Periode. Rußland und Italien.
worden war, verbreitete sich immer weiter und brach der Umwälzung, welche bald darauf von Frankreich her über Deutschland hereinbrach, die Bahn. Die Männer der Opposition des Vereinigten Landtages wollten nur Reformen erzwingen, nicht eine Revolution herbeiführen; in einem nicht kleinen Theile des Volkes aber hatten sich maßlose Ideen über staatliche Dinge, auch wohl socialistische Theorien festgesetzt, und so traten in der Stunde der Entscheidung ganz andere Pläne hervor, als jene liberalen Männer des Mittelstandes geahnt halten. Den Anhängern dieser Aufregung kam es zu statten, daß in jenen Jahren theils durch Mißernte und durch den in Schlesien ausgebrochenen Hungertyphus, theils durch die Verarmung, welche die Weberbevölkernng und andere Gewerbtrei-bende mehr und mehr traf, eine Größe des Elends hervortrat-welche in Deutschland unerhört war, und durch alle Mittel der öffentlichen und Privatmildthätigkeit nicht gehoben werden konnte. Jene der Regierung überhaupt feindliche Partei hatte nun um so leichteres Spiel, den Haß und die Erbitterung der unteren Classen gegen die Regierung und die Staatseinrichtungen im Ganzen aufzureizen. — In Oestreich war dem Kaiser Franz I. im Jahre 1835 dessen Sohn als Ferdinand I. (1835—48) auf dem Thron gefolgt, die Regierungsgeschäfte aber führte der allvermögende Minister Fürst Metternich, welcher zugleich die Seele der Politik des Widerstandes gegen die Neuerungsbestrebungen in ganz Deutschland war. In der innern östreichischen Verwaltung geschah vieles, was zur Hebung der materiellen Wohlfahrt des Volks beitragen konnte; gutmüthige Leichtlebigkeit und behagliche Befriedigung im Genuße der äußeren Lebensgüter schienen nirgends so zu Hause zu sein, als in Oestreich, besonders in Wien. Hier blieb jeder Gedanke an politische Entwickelung fern, und jede Selbständigkeit und Eigenthümlichkeit der unter östreichischem Scepter vereinigten Nationen wurde streng unterdrückt. Nur Ungarn behielt seine eigene Verfassung.
In Rußland herrschte Nikolaus I. mit derselben Kraft und Energie, welche er gleich bei seiner Thronbesteigung gezeigt hatte. Um im Innern des Landes eine möglichste Einförmigkeit und Uebereinstimmung herzustellen, welche er als Grundlage der Kraft ansah, war er bemüht, alle Stamm- und Religionsunterschiede zu verwischen und durchweg russische Sitte und griechischen Glauben einzuführen, bei der größtmöglichsten Abschließung Rußlands gegen alle Berührung mit der Civilisation der Nachbarstaaten aber doch
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296
Neueste Geschichte. 3. Periode.
reit, dem Rufe zu folgen, aber er forderte vor seinem endgültigen Entschlüsse die Abstimmung des mexikanischen Volkes. Sie wurde ins Werk gesetzt, und der Erzherzog begab sich, als seine Erwählung unzweifelhaft wurde, nach Paris, um das Nothwendige mit Napoleon Iii., dem Urheber und Schutzherrn des ganzen Unternehmens, zu verabreden. Am 10. April 1864 übergaben die mexikanischen Abgeordneten dem neuerwählten Kaiser die Sanction des Beschlusses der Notabeln durch das Volk; er nahm als Maximilian I. die ihm dargebotene Würde an und verließ vier Tage darauf mit seiner Gemahlin das friedliche Glück von Miramar, um am Bord der östreichischen Fregatte Novara in sein Reich abzusegeln. Zunächst begab sich das Kaiserpaar nach Rom, den Segen des Papstes zu empfangen; am 29. Mai erreichten sie Veracruz.
Wenn in dem Gemüthe des Kaisers und der Kaiserin noch ein Zagen verborgen gewesen wäre, es hätte in der Begeisterung, mit welcher sie empfangen wurden, verschwinden müssen. Der Weg nach der Hauptstadt wurde zum Schauplatze eines sich fortsetzenden Volksfestes; auch die indianische Bevölkerung drängte sich zahlreich herbei. Die Hauptstadt selbst empfing die Einziehenden, am 12. Juni, mit einem hier noch nie gesehenen Enthusiasmus. Juarez hatte sich nach San Luis Potosi begeben, wurde aber weiter nach Norden in die Grenzprovinz Chihuahua gedrängt, und es schien, als wäre es mit seiner Sache vorbei. Doch verlor er die Zuversicht nicht, daß seine Zeit noch einmal wieder kommen werde; er hatte immer einige Truppen und eine Art von Regierung um sich; von den Vereinigten Staaten Nordamerikas blieb er anerkannt und wurde von ihnen im geheimen auch mit Geld und' Waffen unterstützt.
Der Kaiser hatte kurze Zeit nach seiner Ankunft in der Hauptstadt eine Rundreise durch die Provinzen seines Reiches unternommen; bedeutende, einflußreiche Männer, selbst bisherige republikanische Führer schlossen sich ihm an. Mit Eifer widmete er sich den Regierungsangelegenheiten, er arbeitete unermüdlich an der Einführung heilsamer Reformen, besonders an der Verbesserung des öffentlichen Unterrichts. Aber dies waren alles weitausfehende Dinge; nahe und unerbittlich drängten die Forderungen der Finanzordnung des Reiches und der Organisation des Heerwesens. Und doch war Maximilian kein Soldat; weder Neigung noch Temperament zogen ihn dazu. Die Truppen sahen ihn selten. Er liebte es, in mexikanischer Volkstracht die herrliche Tropengegend um Mexico
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Maximilian_I. Maximilian_I. Luis_Potosi Maximilian Maximilian
Extrahierte Ortsnamen: Paris Rom Veracruz Chihuahua Nordamerikas
302
Neueste Geschichte. 3. Periode.
Verluste verband sich nun vielfach das bittere Gefühl der Beschämung über die handgreiflichen Täuschungen, welchen man erlegen war, so daß man die ganze, plötzlich in Fluß gerathene, finanzielle und commercielle Bewegung in Bausch und Bogen mit dem Verdammungswort: Schwindel! zu bezeichnen geneigt war.
Indeß verwechselte man Symptom und inneres Wesen. Der plötzliche Ausbruch des hier erwähnten Speculationsfiebers war eben nur eine vereinzelte Aeußerung der allgemeinen Culturbewegung, welche, in ihrer Vereinzelung aufgefaßt, mißzuverstehen war, in ihrem Zusammenhange mit andern nicht minder charakteristischen Momenten aber doch auf einen entschieden humanen Drang unseres Jahrhunderts hinwies.
Von zwei mächtigen Gedanken wurde die Zeit zu einer ununterbrochenen energischen Thätigkeit angespornt; von dem Gedanken, daß die Gaben und Güter der Welt allen zugänglich zu machen seien, und von dem andern, daß das materielle Interesse alle Welt in eine Verbürgung der Gemeinsamkeit des Thuns und Leideys verwickeln müsse.
Aus solchen Gedanken gingen die Anregungen und dann auch die Ausführung großartiger Unternehmungen hervor, welche zunächst allerdings nur dem Aufschwungs der Industrie und des Handels zu dienen schienen, in ihren Nebenwirkungen aber auch den geistigen Verkehr förderten und überhaupt die Völker näher unter einander verbanden. In England zuerst wurde die Idee der Weltausstellungen verwirklicht. Aus allen Welttheilen, zum größten Theile natürlich aus den Staaten Europas, wurden die Erzeugnisse der Gewerbthätigkeit zusammengebracht und in einem weitläufigen, aus Eisen und Glas errichteten Gebäude ausgestellt (Glaspalast), 1851. Vier Jahre darauf folgte Frankreich nach und veranstaltete eine Weltausstellung in Paris.*) Zahlreiche kleinere Ausstellungen schlossen sich in den folgenden Jahren an. . Von dem Durchstiche der Landenge von Suez ist in den Abschnitten 147 und 157 weiter die Rede. Immer näher an einander sich schließende Netze von Eisenbahnen umstricken Europa, große Theile von Amerika und auch einige Länder Asiens. Endlich ist auch die Telegraphie am Ufer des Meeres nicht stehen geblieben. Nicht
*) 1862 hat in London wiederum eine internationale Ausstellung stattgefunden, 1873 in Wien, 1876 in Philadelphia, 1878 wiederum in Paris.
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Extrahierte Ortsnamen: England Europas Frankreich Paris Suez Europa Amerika Asiens London Wien Philadelphia Paris
Aufhebung der Leibeigenschaft in Rußland.
dieser Residenzwechsel große Aufregung und es brachen dort arge Tumulte aus. Im November 1865 wurde das Parlament zum erstenmal in Florenz eröffnet. —
152. Europa während und nach dem italienischen Kriege.
Die Geschichte Oestreichs und Frankreichs fiel während des italienischen Krieges mit der Geschichte desselben zusammen; England nahm an der Umgestaltung Italiens nur durch diplomatische Beziehungen Theil, Rußland aber benutzte diese Zeit, um sich von seinen Niederlagen zu erholen und innere Reformen auszuführen, ohne deshalb auf eine Beobachtung jener Ereignisse und seinen Einfluß dabei zu verzichten. In Deutschland aber trat die nationale Bewegung, welche seit einiger Zeit stillgestanden zu haben schien, wieder lebendig in den Vordergrund. Wir wenden uns zuerst zu
a. Ruß land. Die schwierigste Aufgabe stellte sich Alexander Ii., indem er die Leibeigenschaft der Bauern in Rußland aufheben wollte, ein Plan, welchen schon Alexander I. aufgefaßt und wieder fallen gelassen hatte. — Die Nothwendigkeit, den im Kriege tief 1 gesunkenen Wohlstand der Nation neu zu beleben, mußte die ' dringendste Aufgabe der Regierung fern; deshalb wurde Rußland mit einem Eisenbahnnetz überzogen, die Zölle herabgesetzt, manche Erleichterung des Verkehrs getroffen und der Versuch gemacht, der Corruption der Beamten zu steuern; aber das alles hals nicht, wenn nicht die productive Kraft selbst entfaltet wurde. — Das schien aber nur möglich zu sein, wenn man dem Bauer Liebe zu dem Boden einflößte, welchen er bebaute, d. H. indem man ihn zum freien Eigenthümer machte. Nach einer 1858 angestellten Volkszählung gab es im europäischen Rußland, in Sibirien und Transkankasien 23 Millionen Leibeigene. Im I. 1857 wurde in Petersburg eine kaiserliche Commission, eingesetzt, welche die wichtige Maßregel vorbereiten sollte; sie kam aber nicht recht vorwärts, da der Adel der Bauernemancipation entgegen war und die Bauern selbst nicht recht begriffen, was man mit ihnen vorhabe. Der Kaiser aber ließ sich durch keine Schwierigkeiten bewegen, sein Ziel aufzugeben. Durch ein Manifest vom 3. März (19. Febr.) 1861 sprach er die Aufhebung der Leibeigenschaft aus; am 17. März wurde dasselbe in allen Kirchen verlesen. Damit die eintretende Veränderung nicht zu plötzlich und schädlich wirke, ist für eine
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Rußland. Aufstand in Polen.
325
in dem durch Wühlereien und durch die Erfolge des Nationalitätsprincips in Italien zu sanguinischen Hoffnungen aufgeregten Polen. Lange vorbereitete Demonstrationen national-religiöser Art führten in den letzten Tagen des Februar 1861 in Warschau zu blutigen Conflicten und diese zu einer allgemeinen Gährnng, welche bei der Nachsicht des Statthalters, Fürsten Gortschakow, einen bedenklichen Charakter annahm. Die höheren Stände, an ihrer Spitze der Erzbischos von Warschau, richteten eine Adresse an den Kaiser und baten darin um Gewährung nationaler Einrichtungen in Kirche, Schule und Gesetzgebung. Ein kaiserlicher Ukas vom 27. März 1861 bewilligte die Einsetzung eines Staatsrathes für das Königreich Polen, Neugestaltung des Unterrichtswesens und andre Reformen. Ein bekannter politischer Patriot, der Marquis von Wielopolski, wurde in die Regierung berufen. Aber dieser Ansang zu einer staatlichen Neubildung Polens auf nationaler Grundlage im Anschluß an Rußland befriedigte nicht; man wollte nationale Unabhängigkeit. Die Aufregung dauerte fort und die Regierung sah sich daher wieder zur Strenge- genöthigt. Sie löste den sogenannten „Landwirtschaftlichen Verein" auf, welcher die Seele der ganzen Bewegung war, und als (7. April) abermals eine großartige Demonstration veranstaltet ward, kam es zu einem Conflict mit der bewaffneten Macht.
Jetzt flüchtete der * Aufruhr sich von den Straßen in die Kirchen und Wielopolski selbst beschuldigte die polnischen Priester in einem amtlichen Erlaß der strafbaren Agitation. Der größte Theil der Einwohnerschaft von Warschau legte Trauerkleider au; man trug nationale und religiöse Abzeichen, und in den Kirchen wurden national-religiöse Lieder gesungen. Graf Lamp ert, der Nachfolger des am 30. Mai verstorbenen Gortschakow, schritt hiergegen ein und verhängte den Kriegszustand über das ganze Königreich; nichtsdestoweniger ward der Todestag Kocziusko's (15. October) in Warschau in gleich demonstrativer Weise begangen, so daß das Militär die Kathedrale und die Bernhardinerkirche räumen mußte, worauf die. Geistlichkeit die Kirchen für entweiht erklärte und dieselben schloß. Die Regierung gab aber nicht nach, und General Lüders, welcher jetzt an Lamperts Stelle trat, ließ eine Anzahl der angesehensten Bürger verhaften. Auch der Bisthumsverweser wurde verhaftet und zum Tode verurtheilt, vom Kaiser aber begnadigt. Ein einfacher Priester, Felinski, wurde hierauf zum Erzbischof ernannt; er ließ die Kirchen wieder öffnen. Kaiser
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